14.07.2024 – 12.09.2024
Hi und willkommen zurück auf meinem Blog.
Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Blogeintrag starten soll. Meinen ursprünglichen Plan, einen separaten Blog-Eintrag darüber zu verfassen, wie es mir 1 Monat zurück in Deutschland ergangen ist, warf ich schnell über Bord. Es hat sich bisher einfach nicht richtig angefühlt, über die vergangene Zeit zu berichten. Das Nachbereitungsseminar unseres PPP-Jahres fand am vergangenen Wochenende in Berlin statt und markierte somit auch das offizielle Programmende auf deutscher Seite. Somit möchte ich Dir jetzt einen Einblick darin geben, was in den letzten Monaten geschehen ist und wie es mir bis kurz vor dem Nachbereitungsseminar ergangen ist. Wie fühlt es sich an, wieder zurück zu sein? Gibt es etwas, was ich besonders vermisst habe? Wie geht es weiter? Das sind alles Fragen, die in den letzten Wochen meinen Alltag eingenommen haben. Und der reverse culture shock (der Kulturschock des Heimkommens), den gab es natürlich auch noch. Ein Bericht, in dem ich versuche, meine Gedanken mit Dir zu teilen und ein realistisches Bild davon zu vermitteln, was nach so einem Jahr in einem vorgehen kann. Ich wünsche Dir viel Freude beim Lesen.
Ich bin wieder zurück in der Heimat. Verschiedene Gefühle, die ich in letzter Zeit durchlebt habe. Von starker Freude, mein altes Umfeld wieder um mich zu haben, bis hin zur großen Leere und der Frage “Was nun?”. Somit flüchtete ich mal wieder in die Ferne. Dänemark, Österreich, Passau. Ich sah Taylor Swift beim Konzert in Hamburg, ein großer Traum von mir. Es war eine schöne Zeit. Dann musste ich mich aber leider auch noch mit unserem besten Freund, der deutschen Bürokratie, auseinandersetzen. Nachdem mein Geduldsfaden mehrmals auf die Probe gestellt wurde und ich den Ämtern schon fast das Du anbieten wollte, kann ich mit Stolz berichten, dass ich nach über 4 Wochen auch endlich wieder krankenversichert war und vorübergehend arbeitslos gemeldet wurde. Die erste Zeit war viel los, doch die Gedanken verfolgten mich auch dort.
„Dieses Jahr wird Euch und Euer Leben verändern. Ihr werdet als ein anderer Mensch zurückkehren.”
Ein Satz der uns am Abflugs Tag am 08.08.2023 verkündet wurde. Damals schob ich die Aussage als dramatisch und übertrieben zur Seite. Und dennoch saß ich hier nun, mit genau dieser Einsicht. Irgendetwas hatte sich verändert. Nur was genau, dass konnte ich mir nicht wirklich erklären.
Beginnen wir mit der Definition „zu Hause“. Was ist denn eigentlich zu Hause?
„Home is where your heart is.“

Ein Satz der für mich an Bedeutung gewann. Wisconsin wäre ohne meine Freunde nicht der Ort gewesen, den ich nun so vermisse. Es sind die Menschen, die uns begegnen. Der Platz, an dem wir schöne Erinnerungen mit ihnen erschaffen. Doch nun wohnen wir auf der ganzen Welt zerstreut. Wo gehöre ich hin? Es ist, als würde ich vor einem langen Pfad stehen, der in verschiedene Wege mündet. Doch welcher Weg führt mich nach Hause?
Ein Leben in einem Jahr. Das fasst die letzten 11 Monate sehr gut zusammen. Am anderen Ende der Welt habe ich mir ein komplett neues Leben aufgebaut. Neuer Ort, neue Freunde. Ich weiß, was es heißt, auf mich selbst gestellt zu sein und vor allem habe ich mich und meine Werte besser verstehen gelernt. Wir sind Menschen, die in unterschiedlichen Verhältnissen aufgewachsen sind, und sind einander doch so ähnlich.

Freunde, die zu Familie wurden und dann hieß es Mitte Juli Tschüss USA. Ich sagte Tschüss zu einem Land, welches ich für 1 Jahr mein zu Hause nennen durfte. Wisconsin ist sicherlich nicht der Ort, an dem ich alt werden würde, aber ich war dennoch glücklich. Und trotzdem musste ich Abschied nehmen.
Nun bin ich zurück in Deutschland und während ich die erste Zeit noch genoss, Familie und Freunde wiederzusehen, kam langsam Fernweh auf. Oder kann man es so überhaupt nennen, wenn man nicht nur den Ort, sondern vor allem die Menschen vermisst, die diesen Ort zu etwas ganz Besonderem gemacht haben? Du kannst nicht einfach ein paar Schritte zur nächsten Tür gehen und Deine Freunde sehen, bis in die Nacht Filme gucken oder um Lebensratschläge fragen. Ich erwischte mich dabei, teils noch auf Englisch zu denken. Es wurde einsam, und somit entstand ein Gefühl, welches mir fremd war. Ich war eigentlich niemand, der Orte und vor allem Menschen arg vermisste. Es mag sich komisch anhören, aber ich kam mit einer gewissen Distanz eigentlich immer gut klar. Und plötzlich änderte sich das.
Ich vermisste die offene und verständnisvolle Art, die mir so ans Herz gewachsen war. Ich vermisste Target und Walmart, die vielen großen Regale und die Einkaufs-App, welche mir zeigte, wo ich die Nudeln finden würde. Ich vermisste den Campus und Brian, unseren Lehrer. Ich vermisste die Gemeinschaft und meinen Social Host, mit welcher ich so schöne Stunden verbringen durfte. Ich vermisste das Dorm-Leben, meine Freunde auf dem Flur zu begegnen, gemeinsame Abendessen und UNO-Runden. Ich vermisste meine Arbeit, Cookies zu dekorieren und die Gespräche mit meinen Kolleg*innen. Und dann sah man plötzlich, wie der Ort wieder von neuen Menschen mit neuen Erinnerungen gefüllt wurde. Einerseits war da die Einsamkeit, anderseits aber auch eine starke Antriebslosigkeit. Ich hatte auf nichts Lust, flüchtete in Facetime Gespräche mit meinen Freunden aus den USA und war gar nicht so richtig hier. Ich wollte einen Zusammenschnitt des Jahres kreieren, doch ich schaffte es nicht mal mehr, mir das Foto- und Videomaterial anzuschauen. Irgendwann hörte ich auf die Tränen zu zählen. Es war komisch, aber das Leben geht nun mal weiter und auch wenn es schmerzhaft ist, ist es der erste Schritt zu akzeptieren, dass auch dies Teil des Experiments ist.

Es ist erstaunlich, wie anders man doch lebt, wenn man weiß man hat nur dieses eine Jahr. In Deutschland leben wir oft in den Tag hinein. “ich verschiebe es auf morgen” und “demnächst würde ich das gerne mal machen wollen” sind allgegenwärtige Aussagen. Aber es gibt nicht immer ein Nächstes Mal. Die Zeit vergeht wie im Flug. Und wenn wir nicht mal stehen bleiben und uns umschauen, verpassen wir die schönen Momente im Leben. Und so wurde „Ja sagen“ in den USA zu meinem täglichen Motto. Ich versuchte so viel wie möglich, mitzunehmen. Ob gut oder schlecht, ich lernte aus allen Erfahrungen.
Und die Rückkehr könnte so einfach sein, doch ich hielt mich fest an den Erinnerungen, die wir geschaffen hatten und wollte einfach nicht loslassen. Es war eine herausfordernde Zeit. Noch vor wenigen Wochen befand ich mich auf meinem Reisemonat durch die Staaten, bei dem wir jeden Tag neue Orte entdeckten, ständig unterwegs waren und ich meinem Gedankenwirrwarr wenigstens zum Großteil entkommen konnte. Nun war ich hier in Deutschland, ohne geregelten Tagesablauf und meinen Gedanken ausgeliefert. Ich hatte das Gefühl, es versteht keiner, wie ich mich fühlte. Ich wollte am liebsten täglich in Erinnerungen an die USA schwelgen, wusste aber nicht mit wem. Die Nachfragen wurden weniger und ich musste mit der Erkenntnis klarkommen, dass sich das Leben auch hier weiterdrehte. Witze mit meinen PPP-Freunden oder den internationals aus dem Dorm – dazu musste zum Hörer gegriffen werden. Doch wollte ich auch nicht aufhören das hier und jetzt zu genießen.

Nun saß ich Mitte August hier und hatte so viele verschiedene Möglichkeiten. Die USA hatten viele Interessen in mir hervorgerufen, was einerseits schön aber andererseits auch beängstigend sein konnte. Die verkrampfte Versuchung mich wieder einzuleben, mit den Gedanken noch halb in den USA zu sein, entscheiden zu müssen, wo es beruflich für mich hingeht, die Entfernung zu meinen Freunden aus Wisconsin und die deutsche Bürokratie, welche mich in den ersten Wochen wahnsinnig machte. All das trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. „Na, wieder eingelebt?“ – Eine rhetorische Frage, die man öfters mal von Bekannten zu hören bekommt. Vor allem dann, wenn man gerade erst wenige Wochen wieder zurück ist. „Ja, so langsam.“ ist dort meine Standard-Antwort, denn den wenigsten würde man seine innersten Gedankengänge vorlegen. Wo würde man auch anfangen?
Es sollte weiterhin spannend bleiben. Nach langem hin und her sagte ich einem Studium zu. Wenig später folgten die Immatrikulation, eine Wohnungszusage und die Auseinandersetzung mit dem Umzug nach Bayern. Ich freute mich zwar, endlich Gewissheit zu haben, aber meine Angst, größere berufliche Chancen nicht wahrgenommen zu haben, verliehen dem ganzen einen stark bitteren Beigeschmack. Ende August ging es zum Familienbesuch nach Berlin. Ich erzählte von meinem Vorhaben und merkte mal wieder, dass nicht mal ich davon überzeugt war.

Die Entscheidung in die USA zu gehen, war eine der besten, die ich hätte treffen können. Und es gab mir Hoffnung. Den auch dort war ich nahezu verzweifelt, als ich von der Platzierung hörte. Ich hätte mir nicht ausmalen können, wie glücklich ich wenige Monate später doch war. Eine weise Person meinte mal zu mir: „Hauptsache du machst was. Probiere dich aus und bleib nicht stehen. Wir können hinfallen, uns umdrehen und in eine andere Richtung gehen. Sich umzuentscheiden ist kein Scheitern, es ist Wachstum“.
Und wie es das Schicksal so wollte, erhielt ich plötzlich Ende August die Nachricht, dass ich für mein Studium in Berlin angenommen worden sei. Starke Erleichterung und Freude am ersten Tag, gefolgt von Angst, meinen sicheren Plan nun zu verwerfen. Eine Wohnung in Berlin zu finden und das innerhalb von 5 Wochen bereiteten mir wieder Kopfschmerzen. Und doch entschied ich mich nach ausführlichem für- und abwägen nach Berlin zu gehen. Und somit sagte ich wieder einmal Ja zu einer großen Herausforderung.

Die starke Angst davor, sich eventuell falsch entschieden zu haben, wich nach wenigen Tagen einer puren Erleichterung. Ich hatte eine Wohnung und konnte mein Glück kaum fassen. Nach mehreren Wochen, die sich teilweise wie eine Ewigkeit angefühlt hatten und ich nicht wirklich einen klaren Kopf gewinnen konnte, kehrte endlich ein Zustand der Erleichterung und Ruhe ein.
Mit Freunde und Glück im Gepäck ging es 10 Tage später in den Zug nach Berlin. Der Umzug dauerte noch ein wenig, doch das Nachbereitungsseminar unseres 40.PPPs stand an und es hätte zeitlich nicht besser für mich passen können. Mit Vorfreude begab ich mich auf das letzte Abenteuer der PPP-Reise.
Vielen Dank, dass du bis hierhin gelesen hast. Schau gerne bei meinem Blogeintrag „Nachbereitungsseminar und eine hoffnungsvolle Zukunft“ vorbei.
XOXO,
TJ