Fake Arizona und Haunted Houses


16.10.2023 – 08.11.2023 
Also meinem Vorsatz 2 mal monatlich einen Blogpost zu veröffentlichen, bin ich noch nicht gerecht geworden. Wo ist die Zeit geblieben? Oktober und November sind wie im Flug vergangen. Es ist viel passiert, sodass ich garnicht zum Schreiben gekommen bin. Jetzt lass ich Dich aber, wenn auch verspätet, natürlich an meinen Erlebnissen teilhaben. Also was ist passiert?

Um an meinem vorherigen Blogpost anzuknüpfen, beginne ich wo ich aufgehört habe: Die Woche vom 16. Oktober.

Ich bereitete eine Präsentation für meinen American English Language and culture Kurs vor. Wir behandelten gerade das Thema native americans und deren reservations. Das sind die Orte, an denen die Ureinwohner der USA mit ihrem Stamm lebten und wie sie aufgrund der europäischen Siedler verdrängt wurden. Ein sehr spannendes Thema, wie ich finde. Neben Sport, Arbeit und Hausaufgaben war es am Donnerstag soweit: Arizona! Nach meiner Webdesign-Class am Morgen machte ich mich mit Betsy, meinem Auto, auf dem Weg nach Chicago um mich dann mit einigen PPPler*innen in Phoenix, Arizona zu treffen. Ich freute mich auf sonnige Tage und den Grand Canyon. Die wenig Stunden Schlaf der vorherigen Nacht machten mir zu schaffen, sodass ich 3 Stopps einlegen musste und noch beim Starbucks Drive-In für mein Lieblingsgetränk Matcha Frappuccino Halt machte. Nach 4 1/2 Stunden Fahrt kam ich in Chicago an und hatte mir bereits einen Parkplatz im vor Wege reserviert. Mit dem Airport-Shuttle machte ich mich dann auf dem Weg zum Flughafen und freute mich innerlich, dass alles so einwandfrei ablief. Sehr untypisch für mich. Am Abend zuvor hatte ich schon den online Check-in abgeschlossen, sodass ich direkt zum Sicherheitscheck ging. Dort dann der Schock. Mein Flugticket wurde nicht akzeptiert. Warum? Ich befand mich anscheinend am falschen Flughafen. Du fragst dich jetzt vielleicht wie sowas passieren kann. Nun ja, das habe ich mich auch gefragt. Da ich es aus Deutschland gewohnt bin, dass in einer Stadt auch nur ein Flughafen existiert, war ich wohl etwas voreilig. Der richtige Flughafen, ebenfalls in Chicago, befand sich 1 Stunde Fahrt entfernt. So entschied ich nach einigem Kopfzerbrechen den Shuttle zurück zu meinem Auto zu nehmen. Ich hätte es zeitlich nicht geschafft. Das Geld war weg und ich anstatt im 40 Grad Arizona im kalten Chicago, mit Sommersachen im Gepäck. Es wurde bereits dunkel, ich war übermüdet und ausgelaugt. Nachdem ich mir ein Hostel für die Nacht gebucht hatte, ein zweites Mal am falschen Ort auftauchte und dann endlich die richtige Adresse fand, viel ich erschöpft ins Bett.

Am nächsten Morgen wollte ich eigentlich nach dem Frühstück zurückfahren. Da mir eine Freundin jedoch spontan anbot, mir Gesellschaft zu leisten, blieben wir spontan das Wochenende in Chicago. Kunstmuseen, Ramen und Matcha Pudding, Riverwalk, Herbstmarkt und natürlich eine Fahrt mit dem Riesenrad – wir verbrachten 2 schöne Tage in Chicago und ich war sehr dankbar, dass sich das Wochenende doch noch zum Guten gewendet hat.

In der nächsten Woche brachte ich mein Auto zur Werkstatt, da eine kleine Lampe aufleuchtete. Nach dem Gespräch war ich nicht schlauer und so beschloss ich in der kommenden Woche zum Mechaniker zu fahren. Freitag arbeitete ich in der Frühschicht und fuhr dann direkt zurück ins Dorm. Denn ich konnte endlich in mein Einzelzimmer umziehen! Zum Glück ist das neue Zimmer im gleichen Gebäude, sodass ich meine Sachen nur in Tüten, Koffer und Rucksäcke verstaute. Trotz dessen dass ich hier so gut wie noch nichts gekauft habe, sah es dann doch so aus als würde ich hier schon 5 Jahre leben. Und dabei sind auf dem Foto noch nicht mal meine Küchenutensilien zu sehen. 3 Stunden später war dann aber alles soweit gepackt und meine Freunde halfen mir die Sachen mit dem Aufzug zum anderen Zimmer zu bringen – und das schönste? Mein Apartment ist direkt neben dem einer Freundin. Mal schauen, wie lange es dauert, bis mein Dauerbesuch endgültig als nervig angesehen wird. Meine indonesischen Freundinnen backten leckeren Schoko-Bananen-Kuchen, welchen wir uns zur Feier des Tages gönnten. So gut wie in dieser Nacht habe ich lange nicht mehr geschlafen.

Nach der Arbeit am Samstag ging ich gemeinsam mit einigen Freunden zu einem Haunted House. Haunted Houses sind Gruselhäuser, durch dessen Räume man geht und dann erschreckt wird. Ich war zwar nicht ganz überzeugt, ging aber trotzdem mit. Könnte ja doch ganz lustig werden. Wir fuhren mit Betsy und russischer Musik im Gepäck zum Event. Es ging los mit einem Zug, der uns zum Haunted House brachte. Das war schon zu viel für meine Nerven. Wir stiegen in den Zug und mir kam direkt ein Zombie entgegen. Als wir unsere Plätze einnahmen fuhr der Zug los, das Licht ging aus und mein persönlicher Albtraum begann. Danach ging es noch ins eigentliche Haunted House, bei dem ich mich zunächst weigerte. Doch als plötzlich kleine Kinder dort herumspazierten, stand dann doch mein Stolz im Weg – also rein da. Eine Erfahrung wert, die ich aber auf jeden Fall nicht nochmal erleben muss. Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns auf den Weg zu einer College-Party in einer nahegelegenen Universität. Es war verrückt: Studentenverbindungen, hunderte von Student*innen in Halloween-Kostümen und natürlich gute Musik. Es fühlte sich an wie im Film. Den Abend beendeten wir mit einer Runde Klavier, welches in der Empfangshalle stand und Pizza, um endlich den Hunger der letzten Stunden zu stillen. Auf dem Heimweg wurde das Radio wieder aufgedreht – meine halbe Playlist besteht jetzt aus russischer Partymusik.

Am Sonntag stand Freiwilligenarbeit auf dem Plan. Wir fuhren zum Green Bay Packers Game, eines der bekanntesten NFL-Football Teams der USA, und halfen beim Seat Pick up. Wir konnten so leider kein Spiel verfolgen, aber immerhin mal im Stadion stehen. Ein Green Bay Packers Game zu sehen, steht aber auf jeden Fall noch auf meiner Bucket-List. Unsere Aufgabe war es die Stühle wieder zurück ins Stadium zu bringen. Nach 1 1/2 Stunden waren wir durchgefroren, aber glücklich die Arbeit erfolgreich erledigt zu haben.

Am darauffolgenden Dienstag war dann Halloween. Morgens holten wir mein Auto beim Mechaniker ab, welches ich am Tag zuvor dort zum Öltank-Wechsel hingebracht hatte. Wir befreiten Betsy von der meterhohen Schneeschicht und fuhren noch einkaufen. Dann ging es noch die Halloween-Deko der Nachbarschaft bewundern. Verrückt, wie hier einige Häuser zu den Feiertagen geschmückt sind. Ich liebs. Nachmittags mussten wir eine weitere Präsentation für den Unterricht vorbereiten. Dann waren wir bei indonesischen Bekannten zum Essen eingeladen und verbrachten dort in gemütlicher Runde den Abend. Zudem übernahm ich für die nächsten 3 Tage den Instagram-Account meines Stipendien-Programms, filmte meinen Alltag mit und beantwortete Fragen von potenziellen Bewerber*innen des nächsten Jahres. Es machte sehr viel Spaß, ich berichtete über meine Anfangszeit hier und wie wohl ich mich jetzt doch fühle. Am Donnerstag ging ich nach einer Ewigkeit mal wieder zum Sport. Meine Freunde und ich hatten uns zu einem Yoga-Kurs angemeldet, welcher nach deutscher Definition aber eher ein Guide zum Einschlafen war. Earn or learn – dieses Mal lernten wir dazu, kein weiterer Yoga-Kurs für uns. Amüsiert über den weder geistlich noch körperlich anspruchsvollen Kurs, machten wir uns auf den Heimweg. Der Tag endete nach stundenlangen Gesprächen in der Küche morgens um 2.30 Uhr.

Mit 3 Stunden Schlaf ging es zur zur Arbeit. Erstaunlicherweise fit, arbeite ich meine Stunden ab und ging danach noch zu Target. Ab dem 1. November verwandeln sich hier alle Stores in ein weihnachtliches Spektakel. Ich hielt mich zurück, nicht den ganzen Laden leer zu kaufen. Die Weihnachtszeit ist mit Abstand meine liebste Zeit des Jahres und für mich könnte die Zeit gefühlt schon im September starten. Am Abend nahmen wir dann Betsy und machten uns auf dem Weg zum Footballspiel einer Highschool. Ich war sehr gespannt, ein Punkt ganz oben auf meiner Bucket-List. Mitten auf dem Highway versagte aber plötzlich der Motor und ich fuhr rechts ran. Nachdem wir uns vom Schock erholt hatten, riefen wir einen Freund zur Hilfe. Wir versuchten 1 Stunde lang im Dunkeln mein Auto zum Laufen zu bringen. Jedoch ohne Erfolg. Noch einigermaßen positiv gestimmt und unglaublich dankbar meine Freundin neben mir zu haben, warteten wir also auf den Abschleppdienst. Kein Warnblinker, kein Radio, kein Licht – nichts funktionierte mehr. Ich war erleichtert, dass mir dies nicht alleine in Chicago passiert war. Schließlich kam der Abschleppdienst und zum ersten Mal sah ich dann mal einen Abschleppwagen von innen. Das stand zwar nicht auf meiner Bucket-List, aber gut. Die nächsten 2 Tage sank meine Laune dann in den Keller. Dankbar für jede Hilfe, kamen Bekannte vorbei und schauten sich das Problem genauer an. Es sah nicht gut aus. Einige Nervenzusammenbrüche später inklusive Trösten meiner Freunde war das Wochenende dann auch rum.

Am Montag begann der Tag wieder in meinem 2. zu Hause – dem Autohaus. Wir ließen den Abschleppdienst kommen. Es war derselbe Fahrer wie schon am Freitag. Vielleicht sollten wir Anfang uns gegenseitig vorzustellen? Wir ließen Betsy also dort stehen und ich wartete auf ein Feedback. Ich erledigte meine Hausaufgaben draußen, da die Temperaturen endlich wieder etwas anstiegen.

Am Dienstag unternahmen wir mit allen internationals einen Trip nach Madison, eine große Stadt hier in der Nähe. Um 8 Uhr morgens versammelten wir uns alle vor einem traditionellen Schoolbus, der uns nach Madison bringen sollte. Es war ein guter Zeitpunkt für mich, um auf andere Gedanken zu kommen. Fragen zu meinem Auto wich ich aus. Es hatte sich herumgesprochen, aber ich war noch zu aufgewühlt, um darüber sprechen zu können. Es war ein sonniger Tag, wir erkundigten in kleinen Gruppen die City – vieles kannte ich noch von meinem ersten Besuch hier. Ich wollte unbedingt den Universitäts-Campus und deren Bookstore, mit College-Merch besuchen, um mir einen Pullover mit dem Logo zu kaufen. Geschockt von den utopischen Preisen und die noch ungewisse Zukunft meines Autos im Hinterkopf, ließ ich dies jedoch sein. Zum Mittagessen aßen wir mal wieder Ramen und trafen uns im Anschluss alle im Capitol of Madison wieder. Das weiße Gebäude erinnerte doch sehr ans white House, welches ich im Januar im Rahmen unseres Zwischenseminars besuchen werde. Wir erhielten eine Tour durchs Gebäude, welche sehr beeindruckend war. Zudem durften wir bei einem Meeting der Abgeordneten zuschauen. Vieles was hier im Capitol abgestimmt wird, betrifft die Bewohner*innen im direkten Umfeld. Hier in Madison also vor allem die Student*innen.

Diese Wochen waren mit Abstand die schwierigsten Zeiten hier in den USA für mich. Ich war darauf vorbereitet hier Tiefpunkte zu erleben, aber die haben mich dann emotional schon sehr mitgenommen. Aber trotzdem: ich habe draus gelernt und es macht mich stärker. Think positive!

Wie ich die restliche Zeit im Herbst verbracht habe? Schau dazu gerne bei meinem Blogeintrag „Roadtrips, Thanksgiving und gemischte Gefühle“ vorbei.

XOXO,

TJ