Camping, Kickball und eine große Überraschung


18.09.2023 – 01.10.2023

„What’s meant to be yours will come to you.”

Manchmal müssen wir nur stark genug daran glauben. Positivität und Ehrgeiz sind die Schlüsselwörter. Tiefpunkte machen uns stärker, wir lernen aus Fehlern. Alles, was für uns bestimmt ist, wird irgendwann unseren Weg kreuzen.

Aber ganz von Anfang. Montag morgens besuchte ich das College-Gym und versuchte einen klaren Kopf für den bevorstehenden Tag zu bekommen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen hier sportlich richtig durchzustarten. 1-mal die Woche Gym ist jetzt zwar noch keine Glanzleistung, aber ich stress mich da gar nicht.  Vielleicht werde ich da die nächsten Wochen noch disziplinierter. Im Anschluss traf ich mich mit 2 Freunden, um wieder auf Auto-Mission zu gehen. Wir hatten 2 Facebook-Anzeigen gelesen und fuhren anschießend zum ersten Verkäufer. Dieser wohnte in einer Neubausiedlung und es dauerte eine Weile, bis wir sein abgelegenes Haus fanden. Auf dem Weg dorthin, dachte ich schon an irgendwelche Horrorszenarien. Zum Glück stand sein Auto dort und wir begutachten es. Rost am Auto, Telefongespräche mit dem angeblichen Besitzer und eine abgeklebte Motorkontrollleuchte später, verabschiedeten wir uns. Das war mal wieder ein Reinfall. Wir hatten noch ein enges Zeitfenster, bis wir wieder zurück mussten. Also fuhren wir zum zweiten Händler und uns begrüßte ein freundliches Ehepaar. Zum ersten Mal hatte ich direkt ein gutes Gefühl. Wir schauten uns das Auto genau an. Es war wunderschön, 7 Sitze (Roadtrips!) und ein SUV, so wie ich es mir insgeheim sehr gewünscht hatte. Die Frau fuhr gemeinsam mit uns Probe. Es war ein Traum. Wir handelten den Preis runter und ich kaufte den Wagen!I Ich war so unglaublich glücklich und für den Rest des Tages konnte ich das Grinsen nicht mehr ablegen. Und dann musste ich meinem Auto ja noch einen Namen geben. Da die Besitzer aber schon einen Namen hatten, übernahm ich den einfach: Betsy! Auf dem Rückweg schickte ich ein Stoßgebet an den Himmel. Ich hatte weder ein Kennzeichen noch eine Versicherung, musste Betsy aber sicher zum Wohnheim bringen. Ein Glück lief alles reibungslos ab. Nun bin ich also Auto-Besitzerin. Ich bin so unglaublich dankbar. Für das Auto, aber vor allem für die Unterstützung meiner Freunde. Dieses Auto hat bereits jetzt schon eine Geschichte und zaubert mir jeden Tag aufs Neue ein Lächeln auf Gesicht. Die wochenlange Suche war bis jetzt mit Abstand eines der nervenaufreibendsten, aber zeitgleich eines der schönsten Erlebnisse hier.

Am nächsten Tag erhielt ich dann mein Nummernschild, bei dem mir meine Zimmernachbarin half. Die Versicherung war nochmal ein Thema für sich. Hier in den USA sind viele Fahrzeuge gar nicht versichert. Wenn man sich für eine Versicherung entscheidet, kann man entweder „Liability“ oder „Full Coverage“ wählen. Zweiteres ist gleichzusetzen mit einer Vollkasko-Versicherung. Die Beantragung einer Versicherung kostete mich wieder einige Kopfschmerzen. Da ich keine US-Staatsbürgerin bin, wurden einige Dokumente benötigt. Wenige Tage später erhielt ich dann endlich die Bestätigung. Nun kann es endlich losgehen. Ich freue mich sehr!

Mittwoch und Donnerstag war ich damit beschäftigt, weitere Bewerbungen rauszuschicken. Da wir als Part-Timer insgesamt 15-20h die Woche arbeiten sollen, bin ich auf der Suche nach einem Zweitjob. Ich habe mich nun am College, in Cafés und Jugendeinrichtungen beworben. Zudem könnte ich mir auch vorstellen, nächstes Frühjahr ein Praktikum im Marketing-Bereich zu absolvieren. Mal sehen, wo ich ein Vorstellungsgespräch ergattern kann! Am Freitag traf ich nach der Arbeit mein Social Host in einem Café. Sie ist die Schwester meiner College-Koordinatorin und eine sehr sympathische Frau! Ich freue mich sehr auf unsere zukünftigen Treffen und glaube mich hätte es nicht besser treffen können. Im Anschluss fuhr ich zu der Highschool unserer Stadt, wo ein Spendenlauf ansässig des Hispanic Month stattfand. Während des Hispanic Month würdigen Unternehmen, Bildungsreinrichtungen & co. im ganzen Land die Leistungen und den Einfluss der hispanischen Bevölkerung, sprich alle US-Amerikaner*innen, die ihre Wurzeln in spanisch-sprechenden Ländern Südamerikas haben. Ich traf mich mit den internationalen Student*innen und wir liefen gemeinsam mit Highschool-Schüler*innen, Eltern und Kindern los. Erstaunlicherweise machte es mir sogar richtig Spaß! Und dann kam kurz wieder meine Verplantheit zum Vorschein: anstatt 2 Runden (sprich 4 Meilen) bin ich direkt 6 Meilen gelaufen.

Nach dem Lauf fuhr ich als einzige mit dem Fahrrad zum Wohnheim zurück, da die anderen ein Auto hatten. Dann musste ich mir noch ein Handy ausleihen, um den Weg nach Hause zu navigieren. Mein Akku war typischerweise leer (sorry Papa!). Ich habe die 20-minütige Zeit genutzt, um mich etwas zu reflektieren. Während ich durch die Nachbarschaft fuhr, spürte ich eine Welle der Dankbarkeit. Das ich hier sein darf und auch noch einen Fuß in eine High school gesetzt habe – mein 12-Jähriges Ich würde es nicht glauben. Ich weiß nicht, ob es jemand nachvollziehen kann, aber ich lebe hier meinen Traum. Jeden Tag. Das mag sich vielleicht dramatisch anhören, aber ich bin gerade unglaublich stolz auf mich. Oftmals sind wir Menschen viel zu verkopft. Wir trauen uns zu wenig zu, glauben wir sind nicht gut genug und lassen Träume an uns vorbeiziehen. Bereits in den letzten 6 Wochen habe ich unglaublich liebenswürdige Menschen kennengelernt, denen ich vieles hier zu verdanken habe. Mein letztes Jahr war geprägt von vielen Zukunftsängsten, sodass ich es sehr genieße, gerade so im Moment zu leben.

Ich versuche sehr, mich hier von positiven Menschen zu umgeben. Ich merke immer wieder, dass ich kein Mensch für negative Energie bin. Lästerei muss nicht sein, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Viele Amerikaner, habe ich das Gefühl, lieben gossip. „ich möchte nicht gemein sein, aber…“ beginnt es meistens – ich schalte dann auf Durchzug. Da weiß man teilweise gar nicht mehr, wer mit wem befreundet ist. Das erschwert es mir zugegebenermaßen, Freundschaften mit Amerikaner*innen aufzubauen. Aber ich bin stolz auf meine Entwicklung und ich weiß, was meine Werte sind. Eine sehr gute Freundin hier meinte mal: Nimm alles mit, denk positiv – selbst wenn etwas nicht so läuft wie du es dir wünscht – du wächst daran und es ist eine Erfahrung wert!

Genug Philosophie und weiter im Wochenrückblick. Der Samstag startete früh morgens um 8:30 Uhr. Für uns internationals ging es mit einem traditionell gelben Schulbus zu einem Overnight Camp! Uns wurden im Vorhinein Holzhütten zugeteilt, in denen wir die Nacht verbrachten. Wir wurden in 3 Gruppen eingeteilt und starteten mit Outdoor-Spielen. Zunächst mussten wir unseren Weg durch ein Labyrinth schaffen, ohne verbal miteinander zu kommunizieren. Das nächste Spiel erinnerte an Volleyball in Blinden-Version. Ein Partner hatte die Augen verbunden und wurde durch Codewörter des Gegenübers angeleitet, das andere Team abzuwerfen. Im Anschluss ging es aufs Wasser: Time for Kajak! Eine wackelige Angelegenheit allein im Kajak. Aber uns erwartete unglaublich schöne Natur. Da es uns so gut gefiel durften wir wenig später nochmal aufs Wasser. Diesmal in 2er-Gruppen paddelten wir dem Sonnenuntergang entgegen. Der Lake-Day ist somit auch von meiner Bucket-List abgehakt. Es gab einige weitere Outdoor-Spiele, die Team-Fähigkeit und Geduld erforderten. Dann gab es Abendessen, auch für vegetarische Optionen wurde gesorgt. Eine Salatbar, Lasagne und Obst wurden angeboten. Entgegen vielen Berichten muss ich sagen, dass mich das Essen hier in den USA wirklich positiv überrascht. Als Nachtisch stand dann eine besondere Aktivität an. S’mores! Dabei wir ein Marshmallow, eingebettet zwischen zwei Crackern, im Lagerfeuer geröstet. Im Anschluss wird dann ein Stück schmelzende Schokolade „Hersehey’s Bar“ hinzugefügt. Himmlisch lecker!!

Am späten Abend saßen wir gemeinsam am Lagerfeuer und spielten Uno. Im Gemeinschaftsraum gab es dann noch ein Klavier. Als ich gemeinsam mit einer internationalen Studentin eines meiner Lieblingstücke spielte, vermisste ich direkt mein Klavier zu Hause. Ich habe die letzten Monate kaum gespielt, aber wie sagt man so schön? Man möchte immer das, was man nicht haben kann. Am nächsten Morgen startete der Tag wieder mit einer Gruppenübung. Wir mussten in Teams mit verbundenen Augen jeweils ein Puzzle lösen. Zum Vorschein kamen dann Motivations-Sprüche. Einer meiner Lieblingssprüche:  

Im Anschluss ging es wieder nach Hause. Ich war dann erstmal erschöpft. Es war ein wunderschönes, aber auch anstrengendes Wochenende. Zum ersten Mal nahm ich mir dann auch die Zeit für einen Mittagsschlaf. Ein Glück musste ich keine Hausaufgaben erledigen und konnte etwas entspannen.

Die nächste Woche startete mit etwas Me-Time. Hier in den USA merke ich sehr, wie unterschiedlich mein Tagesablauf im Vergleich zu Deutschland läuft. Während ich am Wochenende unterwegs bin oder Freiwilligenarbeit leiste, sind meistens Montags und Dienstags meine freien Tage, in denen ich auch meine Hausaufgaben erledige oder einfach mal zur Ruhe komme. Ich fuhr mit meinem Auto zu einem Piercing-Laden und ließ mir zwei weitere Ohrlöcher stechen. Als ich dann der Kaufpreis auf dem Display erschien, strich ich gedanklich erstmal meine Reisepläne in naher Zukunft. Aber ich freute mich sehr über die neuen Ohrlöcher. Dann arbeitete ich neben meinen College-Kursen noch im Cookie-Laden. Es macht echt Spaß, wir unterhalten uns viel über Politik. Obwohl uns im Vorbereitungsseminar in Deutschland davon abgeraten wurde, über Dinge wie Politik zu sprechen, habe ich hier einen ganz anderen Eindruck erhalten. Vor allem mein Chef legt mir oft seine Sichtweise des amerikanischen Systems dar. Einige Kolleg*innen sind auch sehr an dem deutschen System interessiert. In dem Moment konnte ich dann als Juniorbotschafterin glänzen. Einer meiner Kollegen schenkte mir dann noch köstliche Schokolade. Offensichtlich kenne ich einige amerikanische Süßigkeiten nicht und es war daher eine sehr nette Aufmerksamkeit. Hier siehst du nochmal einige Aufnahmen von der Arbeit. 

Am Wochenende traf ich mich nach der Arbeit dann bei einem Kickball-Event im Park mit den internationals. Den Tipp, sich vorher die Spielregeln anzuschauen, hatte ich typischerweise nicht beachtet. Meine anfänglichen Versuche, Punkte für das Team zu holen, scheiterten somit. Mit der Zeit wurde ich besser, aber so ganz verstanden habe ich die Regeln immer noch nicht. Samstag früh fand dann ein Oktoberfest in Downtown statt, auf dem ich als Volunteer arbeitete. Da die Bevölkerung in Wisconsin zum großen Teil deutsche Vorfahren hat, sind auch einige deutsche Traditionen, wie zum Beispiel das Oktoberfest, in der Gesellschaft etabliert. Ich arbeitete 8,5 Stunden als Block Captain und beantwortete Fragen der Besucher. Gemeinsam mit 3 anderen Student*innen wurden wir in Blöcke eingeteilt in denen wir für Ordnung und Sicherheit sorgen sollten. Wir erhielten jeweils ein Headset (über das man leider fast nichts hören konnte) und ein grünes T-Shirt und dann ging es los. Es war ein warmer Spätsommer-Tag und so kam es, dass die Straßen gegen 14 Uhr unerträglich voll wurden. Da ich bereits die Tage vorher sehr wenig Schlaf bekommen hatte, wurde mir plötzlich schwindelig. Eine meiner Freunde begleitete mich in unser nahgelegenes Headquarter, in dem wir uns ausruhen durften. Dann kamen zur großen Überraschung noch 4 deutsche PPPler*innen vorbei, inklusive Besuch aus Chicago und Texas. Wenig später ging es mir zum Glück wieder besser und hatte auch wieder Spaß bei der Arbeit. 

Am Sonntagmorgen traf ich mich mit meinem Social Host zum Frühstücken in einem Café am Wasser, umgeben von wunderschönen Wanderwegen. Wir bestellten uns beide Avocado-Toast und ich probierte zum ersten Mal einen Café Latte mit Ahornsirup. Danach spazierten wir noch am Wasser entlang. Es war wieder ein sehr schönes Treffen. Von dort aus ging es direkt zur nächsten Freiwilligenarbeit. Das Thermometer stieg wieder auf die 30 Grad an und ich freute mich riesig, als ich mit einem Golf Auto zum Arbeitsplatz gefahren wurde. Ich arbeitete 2 Stunden bei einem Herbstfest für unseren DECA-Club an der Ticketkontrolle mit. Im Anschluss bin ich mit einigen internationalen Student*innen über den Herbstmarkt geschlendert und musste natürlich auch etwas Herbst-Dekoration kaufen.

Danke, dass du mich bei diesem Abenteuer begleitest. Lies gerne auch meinen neusten Blogpost „Herbst in Wisconsin“. Bis demnächst!

XOXO,  

TJ