05.09.-17.09.2023
Nach dem langen Wochenende dank Labor-Day und ausreichend Erholung wurde am Dienstag, 05.09.2023 offiziell der College-Beginn eingeläutet. 4 Tage lang fand die sogenannte Spirit-Week statt. Vergleichbar mit der Abi Mottowoche konnten sich die Student*innen nach verschiedenen Anlässen kleiden. Anders als in Deutschland spielen in den USA school-clubs eine große Rolle. Nach dem Unterricht oder zwischen zwei Unterrichtsstunden finden verschiedene AGs statt, denen viele Student*innen beitreten. Diese Clubs stellten sich am Mittwoch auf dem College-Gelände vor. Begleitet von Food Trucks, Musik und Games konnten wir uns über die verschiedenen Clubs informieren und uns direkt für diese einschreiben. Von Agrarwirtschafts-Clubs bis Gaming-Clubs – es gibt hier einige Möglichkeiten sich zu integrieren. Ich habe mich für den international student club eingeschrieben. Dort kommen internationale Student*innen zusammen und durch Fundraising können beispielweise Ausflüge oder Events auf dem Campus umgesetzt werden. Auch dem DECA-Club bin ich beigetreten. Dabei liegt der Fokus auf Leadership in Marketing, Finance und Management und es werden jährlich Wettkämpfe zwischen Colleges und High-Schools in verschiedenen Staaten veranstaltet. Uns wurde gesagt, dass man in dem Club vor allem auch Kontakte mit amerikanischen Student*innen knüpfen kann. Ich bin gespannt! Auch das kostenlose Eis konnte ich mir nicht entgehen lassen. Eine halbe Stunde zu spät rannten die internationalen Student*innen und ich zu unserer Class „American English Language and Culture“. Ein Glück ist unser Lehrer sehr entspannt und nachsichtig. Der Unterricht war interessant – wir diskutierten über Stereotypes in den USA und wie man Kultur überhaupt definiert. Rückblickend war es die richtige Entscheidung zurück in den Kurs zu wechseln. Unser Lehrer ist echt ein Glückstreffer – er ruft im Unterricht seinen Sohn an, hört mit uns Taylor Swift Musik und plant mit uns Ausflüge in Wisconsin. Love it!
															
															Nach dem Unterricht ging es wieder auf Autosuche. Ich bin 3 Student*innen hier unglaublich dankbar – sie haben ein Auto und verbrachten ihre Nachmittage regelmäßig damit, mir zu helfen. Diese Hilfsbereitschaft weiß ich sehr zu schätzen. Wir fuhren nach dem Unterricht zu verschiedenen Autohändlern, um nach einem Auto zu schauen. Da Autohändler hier aber utopische Preise anbieten, entschieden wir uns dann für Facebook Marketplace. Dort verkaufen Privathändler ihre Autos. Ein Glück ist einer der Studenten Mechaniker und kennt sich somit sehr gut aus. Wir klapperten also eine Adresse nach der nächsten ab und fuhren die Autos zur Probe. Die Suche gestaltet sich schwerer als gedacht. Entweder das Auto fällt gefühlt auseinander, hat defekte Bremsen oder springt gar nicht erst an. Highlight war dann eines Nachmittags ein Händler, bei dem wir uns das Auto angeschaut hatten und dann zur Probe gefahren sind. Alles sah so weit gut aus. Kurz bevor ich das Auto kaufen wollte, fragten wir noch nach den Fahrzeugpapieren. Als dann nicht sein eigener Name auftauchte und er auch nicht bereit war, ein Foto aufzunehmen, wussten wir, das Auto ist höchstwahrscheinlich gestohlen. Geschockt aber erleichtert, keine illegalen Geschäfte gemacht zu haben, geht die Suche nun weiter. Nach fast 6 Wochen hoffe ich bald ein Auto finden zu können. Es ist nicht mit Deutschland zu vergleichen. Keine Bahn und 1-mal die Stunde kommt ein Bus, der sonntags nicht fährt. Ich bin sehr ungerne abhängig von anderen Personen und möchte selbst entscheiden wann ich wo hinfahre. Gerade bin ich nur froh, mein Fahrrad zu haben und zur Arbeit fahren zu können. Abgesehen davon ist das Fahrradfahren hier aber definitiv eine Herausforderung. Fußgängerwege enden im Nirgendwo und plötzlich fährt man auf dem Highway neben den Autos. Da bekomm ich jedes Mal wieder Schweißausbrüche und schnür mir den Fahrradhelm noch enger. Ja, ich trage hier einen Fahrradhelm – mit dem Verkehr und den großen Autos hier ist definitiv nicht zu spaßen. Naja, vielleicht habe ich ja im nächsten Blogeintrag positive Neuigkeiten!
															Anders als bei der Autosuche gab es gute Nachrichten im Studentenwohnheim. Momentan teile ich mir mein Zimmer mit einer Amerikanerin. Ich verstehe mich gut mit meinen Mitbewohnerinnen, aber aus verschiedenen Gründen habe ich nun ein Zimmerwechsel beantragt. Ich habe lange gezögert, um ein Einzelzimmer zu bitten. Ich denke die ersten Wochen sind für gewöhnlich immer eine Reizüberflutung. Von daher habe ich sehr versucht, mich anzupassen. Aber zu wissen, dass ich die nächsten 10 Monate in dem Zimmer leben müsste, brachte mich dann doch dazu, einen Umzug zu beantragen. Vor allem in stressigen Phasen sollte das eigene Zimmer ein Rückzugsort sein und nicht für mehr Kopfschmerzen und schlaflose Nächte sorgen. Es kann nun mehrere Wochen dauern, bis ich in ein anderes Apartment umziehen kann. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass ich irgendwann meine eigenen 4 Wände haben werde. Trotz dessen, dass meine Mitbewohnerinnen nett sind, waren die ersten Wochen immer ein wenig unangenehm – wir haben alle unterschiedlichen Stundenpläne und waren selten alle zeitgleich zu Hause. Teilweise wurde in Stille für sich gegessen oder man hat sich in sein Zimmer zurückgezogen. Oftmals war ich die Einzige, die sich im Wohnzimmer aufhielt. Eines Nachmittags lag dann ein Brief einer Mitbewohnerin auf dem Tisch, in dem sich über unsere verschiedenen Lebensweisen beschwert wurde. Am Abend diskutierten wir dann über den Sachverhalt. Ich denke jeder von uns muss hier lernen, miteinander zu kommunizieren. Und das funktioniert nun mal am besten in Person und nicht über Briefe oder das Internet. Es war ein sehr angenehmes Gespräch, keiner beschuldigte den anderen. Ich habe nun auch das Gefühl, dass wir uns viel besser verstehen. Die Mehrheit der Amerikaner*innen kommuniziert ausschließlich über die App Snapchat. Ich hatte vorher nie meine Benachrichtigungen für neue Mitteilungen eingeschaltet. Somit habe ich Nachrichten meiner Mitbewohnerinnen teilweise erst sehr spät gesehen. Aber auch ich habe eingesehen, hier einen Schritt auf die anderen zugehen zu müssen. Was mir aber immer noch schwer fällt ist die fehlende Privatsphäre. Meine Roommate ist oft im Zimmer, was es mir erschwert, mich im Zimmer zurückzuziehen. Aber da ich weiß, dass die Tage gezählt sind, versuche ich auch hier positiv zu denken.
Am Wochenende hatte ich dann mein erstes Job-Interview. Die erste Frage, die mir vom Manager gestellt wurde, war, ob ich aus Deutschland kommen würde. Er erkannte meinen Akzent, da er selbst Familie in Deutschland hat. Das war denke ich schonmal ein Pluspunkt. Ich habe direkt nach dem Gespräch die Zusage erhalten! Nun arbeite ich also in einem Cookie-Laden und backe und verziere Cookies, um diese anschließend zu verkaufen. Die Arbeit ist sehr flexibel, wodurch ich die Arbeitszeiten sehr gut mit dem College vereinbaren kann. Nach 2 arbeitsfreien Monaten war meine erste Schicht direkt 8 Stunden lang – das war eine Umstellung! Auch die Kasse war eine Herausforderung. Auf den Dollar-Münzen sind hier keine Zahlen gedruckt, sodass ich teilweise sehr verwirrt war. Sehr unangenehm, wenn der Kunde anstatt 18 coins nur 8 coins erhält. Ich klärte dann schnell auf, und alle waren glücklicherweise verständlich. Ich traf auch eine Kundin, die ursprünglich aus Wisconsin stammt, nun aber in Bayern lebt und meinen Akzent erkannte – die Welt ist echt klein!
															
															Dann waren alle internationals vom College zusammen beim Baseball Game. Trotz dessen, dass ich die Spielregeln nicht kannte, war es ein gelungener Abend. In der Mitte des Spiels flog plötzlich ein Baseball durch die Menge auf den Kopf einer Besucherin. Der Schock saß erstmal tief und es kamen direkt Sanitäter. Nach dem Vorfall ließ ich den Ball keinen Moment aus den Augen. In der Pause wurde uns kostenloses Essen angeboten, welches wir bei schönstem Sonnenuntergang genossen. Am Ende gab es noch ein wunderschönes Feuerwerk. Nach dem Spiel nutzten viele Kinder die Gelegenheit, über das Spielfeld zu laufen. Das ließen auch wir uns nicht entgehen. Gemeinsam mit den Kleinen rannten wir also über das Spielfeld. Man ist nur einmal jung!!
															
															Am Sonntag unternahm ich einen Ausflug nach Madison mit meiner Klassenkameradin aus der Web-Design Class. Da unsere eigentlichen Pläne aufgrund von Regen nicht stattfinden konnten, entschlossen wir uns spontan dazu ins Museum zu gehen. Im Anschluss haben wir uns in ein Cafe gesetzt und schauten uns dann noch ein wenig die Stadt an. Ich möchte auf jeden Fall nochmal dorthin und mehr Zeit mitbringen. Da ich am nächsten Morgen früh arbeiten musste, fuhren wir schon gegen frühen Abend wieder zurück. Während der Autofahrt sprachen wir über Gott und die Welt. Es waren sehr schöne, tiefgründige Gespräche. Politische Ansichten, gesellschaftliche Erwartungen und soziale Ungerechtigkeit. Wir verglichen USA und Deutschland und ich war erstaunt, dass wir viele Ansichten teilten.
															Die Woche darauf fanden gemäß des amerikanischen College-Spirits wieder viele Aktionen für uns Student*innen statt. Es wurden im gesamten Schulgebäude kleine Figuren unseres Schul-Maskottchens versteckt. Wer sie fand, erhielt College-Merch, den es so nicht zu erwerben gibt. Also gingen wir auf Suche und stellten gefühlt die halbe Schule auf den Kopf. Da ich jedoch in der Früh-Schicht arbeiten musste, liefen meine Chancen gegen null. Spaß gemacht hat es trotzdem. Dann gab es einen Pizza-Abend, bei dem wir in verschiedenen Teams angetreten sind und Fragen zum Pizza-Konsum der US-Amerikaner beantworten mussten. Und als wäre das nicht schon genug, konnten wir im Studentenwohnheim noch College T-Shirts, Socken und Jute-Beutel batiken. Spaßfaktor 100!
															Donnerstags trifft sich der international club im College. Ich war zugegebenermaßen sehr erschöpft und war kurz davor, online teilzunehmen, raffte mich dann aber doch auf. Und es hat sich gelohnt! Die meisten kannte ich aus dem Studentenwohnheim und es ist schön, so nochmal gemeinsam Zeit zu verbringen. Wir haben auch die Executive Board-Member für das kommende Jahr gewählt. Ich bin zur Event-Planerin gewählt worden! Es war eine sehr spontane Idee, mich aufstellen zu lassen. Aber ich freue mich jetzt schon sehr auf diese Herausforderung und bin gespannt, welche Ideen wir gemeinsam umsetzen werden.
Dann fand noch ein Irish Fest statt. An den Einlasskontrollen leisteten einige von uns Student*innen ihre Freiwilligenarbeit. Ich war mit 3 russischen Student*innen und einem Amerikaner unterwegs. Es gab kostenlose Essensstände mit Käse und Kerrygold Butter, die mich direkt an unseren Frühstückstisch zu Hause in Deutschland erinnerte. Wisconsin, auch der Käsestaat genannt, ist bekannt als der größte Käsehersteller und jegliche Arten von Milchprodukten werden hier produziert und verkauft. Meine Haut dankt es mir zwar nicht, aber die ganzen verschiedenen Käsesorten sind einfach nur himmlisch! Am späten Abend wurde die Bühne dann von 3 irischen Musikern eingenommen. Wir tanzten und sangen zu deren Liedern, es war ein schöner Abend. Und dann erhielt ich noch eine besondere Nachricht: Mein social host hat sich endlich bei mir gemeldet! Jeder im Dorm erhält einen social host, eine Art Ersatz zur Gastfamilie. Sie zeigen uns die Umgebung und generell das Leben hier in Wisconsin. Auch ich möchte meinem social host die deutsche Kultur näherbringen. Wir werden uns nächste Woche das erste Mal treffen und ich freue mich sehr auf die Zeit.
															
															So sind wieder 2 Wochen vorbei und in den Supermärkten hängt teilweise schon Weihnachtsdekoration. Crazy wie schnell die Zeit vergeht. Ich versuche alle Momente zu genießen, ob gut oder schlecht. Hier im Moment zu leben und immer mal wieder innezuhalten und dankbar für das hier alles zu sein – das ist mir sehr wichtig. Danke dass du bis hier hin gelesen hast. Bis zum nächsten Blogeintrag
XOXO,
TJ