Zurück in Wisconsin startete die Woche mit unseren ersten Kursen. Da ich typischerweise direkt am ersten Tag etwas zu spät aus der Haustür ging und nach einer gefühlten Ewigkeit den Klassenraum fand, war nur noch die erste Reihe frei. Glücklicherweise gab es eine Studentin, die noch später als ich auftauchte. Sie ist Amerikanerin, kommt ursprünglich aus Kalifornien und wurde meine Sitznachbarin. Wir tauschten Nummern aus und sie fragte mich direkt, ob wir nicht mal gemeinsam etwas unternehmen wollen, worüber ich mich sehr freute. Web-Design gefällt mir sehr gut. Wir haben direkt unseren Semester-Ablauf erhalten. Zum größten Teil wird es um die Nutzung von Illustrator und Photoshop gehen. Auch etwas IT und User-Interface spielt hier eine Rolle, sodass ich auch Kenntnisse meiner Ausbildung miteinfließen lassen kann.

Mein zweiter Kurs, American English Language & Culture, gefiel mir auch ganz gut. Ich war mir aber nicht ganz sicher, ob ich den Kurs nicht doch noch tauschen sollte. Es ging im groben um die amerikanische Kultur, welche wir im Laufe des Semesters mithilfe von Musik, Filmen und Ausflügen entdecken und analysieren sollten. Dann stand noch mein Geburtstag auf dem Plan. Ich bin von Beginn an ohne große Erwartungen an den Tag rangegangen. Keiner wusste so richtig, dass ich Geburtstag habe und da ich nicht der Typ bin, dies laut zu verkünden, verging der Tag relativ unspektakulär. Am Abend verdrückte ich dann noch ein paar Tränen – ich fühlte mich plötzlich sehr unwohl und wünschte mir einfach meine Freunde aus Deutschland herbei. Auch war es komisch, das erste Mal meinen Geburtstag ohne meinen Zwillingsbruder zu erleben und war dementsprechend etwas erleichtert, als der Tag endlich vorbei war.
Abgesehen von Uni und Geburtstag mussten auch administrative Dinge wie Social Security Number und Führerschein erledigt werden. Beides lief reibungslos und schnell ab. Als ich mir dann noch ein Second-Hand Fahrrad kaufte, war ich erstmal glücklich, etwas unabhängiger zu sein. Der Bus war mir dann doch auf Dauer zu anstrengend und so konnte ich auch die Nachbarschaft etwas besser erkunden. Ich fühlte mich teilweise wie im Film, ich habe immer davon geträumt einfach durch eine amerikanische Nachbarschaft mit großen Einfahrten und Vorgärten zu fahren. Traum erfüllt!

Am Wochenende hatte ich dann meine ersten Volunteer-Stunden mit den internationalen Student*innen. Wir halfen dabei, die Blumen am Straßenrand in Downtown vom Unkraut zu befreien. Einige Nachbarn kamen aus Ihren Häusern und bedankten sich bei uns. Das war für mich ungewohnt, aber dennoch schön zugleich. Die Dankbarkeit, die uns gezeigt wurde, motivierte mich direkt dazu mich nach weiteren Volunteer-Möglichkeiten umzuschauen. Doch zur Belohnung gab es am Ende erstmal für alle von uns ein Eis und ein T-Shirt geschenkt. Am Abend feierten wir dann noch den Geburtstag von zwei Student*innen. Es standen 3 Kuchen auf dem Tisch und während wir sangen, merkte ich wie mir plötzlich auch Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Einer der Kuchen war für mich gedacht, nachdem einige von meinem Geburtstag erfahren hatten. Ich freute mich sehr über diese Aufmerksamkeit.


Am Sonntag fand dann der für mich erste Ausflug in Wisconsin statt. Wir fuhren mit 2 Autos nach Door-County und verbrachten dort den Tag. Die Natur war unglaublich schön. Nachdem wir eine Zeit am Wasser saßen, sprangen einige von uns (inklusive mir) auch von einer Klippe, was eine schöne Abkühlung an diesem heißen Sommertag war. Abends sind wir alle zusammen essen gegangen und anschließend an den Hafen gefahren. Die lange Fahrt hatte sich gelohnt, denn es erwartete uns einer der schönsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe.


Die nächste Woche startete mit einem weiteren wichtigen Step in den USA: Dem Autokauf. Wir fuhren verschiedene Autohändler ab, bis mir schließlich ein Auto gefiel. Ich bin die ersten Wochen immer wieder geschockt gewesen, in welchem Zustand die Autos hier teilweise gefahren werden. Von abgeklebten Fensterscheiben oder fehlenden Türen und Rost 3. Grades habe ich schon alles gesehen. Aber einfach so ein Auto ohne Hindernisse zu kaufen, wäre ja zu einfach. In der ersten Woche hatte ich mir hier ein Bankkonto erstellen lassen. Da die meisten Autohändler nur Cash annehmen, musste mein Geld vom deutschen Konto auf das amerikanische Konto übertragen werden. Nach einigem Kopfzerbrechen war das Geld dann endlich auf meinem Konto. Und das Auto? Das wurde mittlerweile verkauft. Die Unzuverlässigkeit einiger Amerikaner bekam ich somit direkt zu spüren. Ein Auto für ein paar Tage zu reservieren, war nicht möglich. Das hat mich erstmal sehr runtergezogen. So muss nun also auf erneute Suche gegangen werden.
Auch mein Kursplan an der Uni änderte sich. Ich war mir nicht sicher, ob American English Language and Culture der richtige Kurs für mich ist. In den ersten 2 Wochen haben wir eine sogenannte Drop-off-Phase. Dort können wir, ohne zusätzliche Gebühren, unsere Classes je nach Verfügbarkeit noch wechseln. Also entschied ich mich für social media marketing. Als eCommerce Managerin dachte ich, sei das ein guter Schritt, mein Wissen zu erweitern. Doch als ich in der ersten Stunde den Kursplan für dieses Semester erhielt, bereute ich es direkt. Reine Wiederholung meiner Ausbildungsinhalte aus Deutschland. Somit ging ich am folgenden Tag zu meiner Student-Koordinatorin und lies mich wieder in den American English Language & Culture Kurs einschreiben, mit dem ich jetzt auch sehr zufrieden bin. Da war ich wohl etwas voreilig. Ich bin meiner Student-Koordinatorin sehr dankbar. So oft wie ich die letzten Wochen bei ihr vorbeigeschaut habe, erhalte ich wohl bald eine Urkunde für die häufigsten Besuche im international office. Mein Webdesign Kurs fand auch noch statt. 15 Minuten im Unterricht ging plötzlich das Licht im Raum und den umliegenden Flächen aus, sodass die einzige Lichtquelle mein Laptop war. Es ertönte eine laute Stimme durch alle Lautsprecher auf dem Campus. „Power outage on main campus. Maintenance is on the way.” – Diese Durchsage ertönte durchgängig für die kommenden 40 min. Unsere Lehrerin lies uns dann nach Hause gehen, da das Problem wohl so schnell nicht behoben werden könne. Am Nachmittag erlebte ich dann das erste Mal so wirklich einen Kulturschock. Wir besuchten einen Outdoor-Laden und fanden eine große Auswahl an freikäuflichen Waffen vor. Familien mit Kindern sind ganz verständlich durch die Regale geschlendert, crazy. Highlights der Woche war aber definitiv das erste Mal Fruit loops zu essen!


Dann stand noch der erste Feiertag in den USA für mich an. Labor Day! Etwas ironisch, wenn man an dem Tag eigentlich vom Arbeiten befreit ist und ich bis jetzt noch gar keinen Job habe. Daher nutzte ich das Wochenende, mich in meiner Umgebung nach einem Teilzeitjob umzusehen. Ich wusste von Anfang an, dass es schwierig werden wird, für 20 Stunde die Woche einen Marketing-Job zu finden. Aber das ist auch in Ordnung – ich habe mich nun bei Restaurants, Cafes, Hotels und in sozialen Einrichtungen beworben. Und für nächste Woche auch direkt ein Vorstellungsgespräch! Abgesehen von Bewerbungen schreiben genoss ich die freien Tage mit meinen Dorm-Mitbewohner*innen. Wir verbrachten die Tage mit einem Besuch auf dem Wochenmarkt, einem Filmeabend und ein paar Deutschstunden in der Natur durften natürlich auch nicht fehlen. Da ich die einzige Deutsche hier im Dorm bin, freue ich mich, den anderen die deutsche Sprache etwas näher zu bringen.

Mittlerweile bin ich sehr glücklich hier und kann sagen, dass ich mich komplett eingelebt habe. Als ich hier im August ankam, wollte ich nichts lieber als in eine Gastfamilie zu ziehen. Und ich glaube auch immer noch, dass eine Gastfamilie sicherlich seine Vorteile hat. Aber ich habe mich auf dieses Abenteuer eingelassen, mit dem Gedanken, das Beste aus meiner jetzigen Situation zu machen. Egal was kommt, ich werde an jeder Herausforderung wachsen und freue mich sehr auf 1 Jahr Dorm-Leben.
Ich freue mich, wenn du bald bei meinem nächsten Blogeintrag vorbeischaust!
XOXO,
TJ