28 Tage – So lange bin ich mittlerweile schon in Wisconsin. Ich habe das Gefühl auf der einen Seite schon ewig hier zu sein, aber andererseits als wäre ich gestern erst angekommen. Im Vorbereitungsseminar wurden wir damals auf unsere Ankunft in den USA vorbereitet. Jeder von uns wird seine eigenen Erfahrungen sammeln und wir sollten versuchen uns nicht allzu sehr miteinander zu vergleichen. Das Jahr wird eine Achterbahnfahrt. Am Anfang ist alles aufregend und man nimmt die Umgebung durch eine rosa-rote Brille wahr. Tja, bei mir hat die Achterbahn wohl aus Versehen den Rückwärtsgang eingelegt!
Aber ganz von vorne.
Ich wurde von den internationals am Flughafen abgeholt und ins dorm gebracht. Es war früher Mittag und so langsam wurde ich müde – die kurze Nacht und die langen Reisen waren erschöpfend. Angekommen im Dorm stellte ich erstmal fest, dass meine Mitbewohner noch nicht da waren. Ich erhielt Bettwäsche und Küchenutensilien. Eine der internationalen Studenten war noch im Zimmer und fuhr mit mir zu Walmart, um die nötigsten Dinge für die ersten Tage einzukaufen. Zurück im Studentenwohnheim packte ich meine Einkäufe aus und musste feststellen, dass Dinge wie Handtücher, Spülmittel oder Mülleimer nicht auf meiner Liste standen. Da ich keine Nummer der anderen Studierenden hatte und mich nicht traute im Flur eine Tür nach der nächsten abzuklopfen, blieb ich im Zimmer. So auch am Donnerstag, am Freitag und am Samstag. Fast 72 Stunden bin ich also in dem Apartment geblieben, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Warum weiß ich auch nicht so recht. Der erste Hoffnungsschimmer kam, als ich nach einigen Tagen endlich einen Handyvertrag abschließen konnte. Das WLAN war unterirdisch. Ich konnte weder Filme gucken noch telefonieren, ohne alle 5 Sekunden aus dem WLAN zu fliegen.Ich fühlte mich sehr allein, die Einführungswoche begann erst eine Woche später und irgendwie hatte ich mir meine Ankunft in den USA anders vorgestellt. Dazu kam, dass viele der anderen PPP-Stipendiat*innen nach Ankunft auf amerikanischem Boden ihre scheinbar beste Zeit hatten. Irgendwann hatte ich dann aber genug davon, mir eine Instagram-Story nach der nächsten anzuschauen und noch weiter im Selbstmitleid zu versinken.
Den ersten Kontakt zu den internationals hatte ich dann aufgrund meines Fensters. Oder genauer gesagt der Fenster-Jalousie. Ich weiß nicht, worum Amerikaner so ein kompliziertes System nutzen, aber auch mit YouTube Tutorials habe ich die Jalousie nicht runterlassen können. Mich hatte eine der Mitstudierenden vorher angeschrieben und somit bin ich an ihre Nummer gelangt. Also ist sie, gemeinsam mit Ihrer Zimmernachbarin, in mein Zimmer gekommen und hat mir geholfen. Der erste Kontakt zu Mitmenschen und dabei waren beide auch noch super symphatisch. Dann wurde ich am Sonntag von ihnen zum Volleyball spielen eingeladen. Ich war zwar die größte Niete und hätte unserem Team fast den Sieg gekostet, aber es war schön, endlich mal unter Leuten zu sein.
Ich ging noch einmal einkaufen, da die Läden hier auch Sonntag bis spät abends aufhaben und musste erstmal schlucken, als ich den langen Kassenbon in den Händen hielt. Neben Lebensmittel war mir auch ein bisschen Deko wichtig. Ich war insgesamt 10 Tage allein im Apartment und wollte es mir so etwas wohnlicher einrichten. Abends hing ich meine Lichterkette über dem Bett auf und fühlte mich direkt etwas wohler.


Am Montag ging dann zum Glück die Einführungswoche für alle neuen internationals los. Das hieß auch, das erste Mal das College zu besuchen. Das Gebäude erinnerte mich sehr an eine High School, wie man sie aus den Filmen kennt. Schmale Gänge, in denen ich mich heute noch verlaufe, US-Flaggen und natürlich ein kleiner Starbucks auf dem Campus. Auch haben wir eine sogenannte Food-Pantry, in der sich alle Student*innen wöchentlich 7 Nahrungsmittel und 1 Hygieneprodukt aussuchen dürfen. Nach einer kurzen Mittagspause standen dann wichtige ToDos auf dem Programm. Student ID-Card, Bankkonto, das digitale Schulboard namens „Blackboard“ in dem wir unsere Hausaufgaben einreichen müssen, und verschiedene Möglichkeiten des Volunteerings. Volunteering (Freiwilligenarbeit) nimmt einen großen Teil des amerikanischen Alltags ein und so sollen auch wir uns in der Zeit hier vor Ort engagieren. In den darauffolgenden Tagen erhielten wir einen genauen Überblick über Busverbindungen und uns wurde Downtown sowie die nähere Umgebung gezeigt. Als wir hörten, dass der Bus nur einmal die Stunde kommt und nur bis um 8 Uhr abends fährt, war ich mit den Gedanken schon beim Autokauf. Dann fuhren wir alle zu einem großen Fitnessstudio und bekamen eine kostenlose Mitgliedschaft. Wir erhielten zudem noch einen Vortrag über mental health und eine Psychologin stellte sich uns vor. Mental Health spielt an US-Colleges eine große Rolle und ist sehr viel weniger stigmatisiert als bei uns in Deutschland. Wir wurden sogar alle ermutigt, mal während unseres Jahres bei Ihr im Office vorbeizuschauen. Zum Schluss der Woche konnte ich noch meinen Stundenplan für dieses Semester wählen. Da ich nebenbei noch arbeiten werde, habe ich nur 2 Kurse wählen können – Webdesign und American English Language & Culture. Vor allem über den ersten Kurs freue ich mich sehr. Ich möchte die Zeit nutzen, um zu schauen, ob ich mich auch in Deutschland beruflich in diese Richtung bewegen möchte. Dann war die Einführungswoche auch schon vorbei. Doch es blieb weiterhin spannend.


Freitag nachmittags zogen 3 meiner Mitbewohnerinnen ein. Sie kamen alle aus Wisconsin und während ich ruhig auf meinem Bett saß, versammelten sich die Familien um mich herum und bauten teilweise mehrere Stunden gefühlt das halbe Zimmer um. Ich wusste nicht genau, was ich machen soll, und so blieb ich einfach erstmal an meinem Laptop und versuchte so gut wie nicht aufzufallen. Wirklich gesprochen haben wir nicht viel.
Am Samstag morgen stand dann direkt ein besonderes Programm an: Chicago!
Einer der deutschen PPPler lebt dort bei einer Gastfamilie und wir wurden herzlich eingeladen bei seiner Gartenparty vorbeizukommen und die Nacht dort zu verbringen. Gemeinsam mit einer weiteren PPPlerin aus der Nähe mietete ich uns ein Auto für zwei Tage. Ein langer Weg stand uns bevor und für mich war es das erste Mal, ein Automatik-Auto zu fahren. Wir holten auf dem Weg 3 weitere PPPler*innen ab und wurden bei Ankunft in Chicago von einem großen Buffet überrascht. Es war ein schöner Abend und wir nutzten unsere Gelegenheit, in Dirndl und Lederhosen für Begeisterung zu sorgen. Wie man sieht, nahmen wir unsere Rolle als Juniorbotschafter*innen sehr ernst.


Am nächsten Tag unternahmen wir noch etwas Sightseeing und besuchten die Air and Water Show am Shore of Lake Michigan in Chicago. Headliner dieses Jahr waren die U.S Air Force und die U.S. Army. Zum Abschluss liefen wir noch etwas durch die City und da ich unbedingt noch ein Eis essen wollte, kauften wir am Pier noch ein 6$ Eis. Das sind dann doch nochmal andere Preise! Das Wochenende hat mir sehr gefallen. Trotz dessen das ich niemanden der Gruppe aus dem Vorbereitungsseminar kannte, fand ich unsere Gruppenkonstellation sehr gelungen.


Dann waren die ersten 2 Wochen auch schon vorbei. Wahnsinn, wie die Zeit vergangen ist. Autokauf, erster Ausflug und Stromausfall – lese gerne meinen nächsten Beitrag. Dort berichte ich über die 3. und 4. Woche hier in Wisconsin.
XOXO
TJ